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"Whistleblowing" im Job – darf der Arbeitnehmer den Chef anzeigen?


Arbeitnehmer müssen im Betrieb Stillschweigen über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse wahren. Das ist allgemein bekannt. Hin und wieder kommt es allerdings in Betrieben vor, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften, die etwa den Brandschutz, die Hygiene oder die Arbeitssicherheit betreffen, nicht eingehalten werden. In einigen Fällen werden auch Straftaten durch Mitarbeiter oder den Arbeitgeber, wie Abrechnungsbetrug begangen.


Solche Situationen gestalten sich für Arbeitnehmer immer schwierig. Der Arbeitnehmer steckt in einer Zwickmühle: Einerseits dürfen diese Zustände nicht hingenommen werden und können in extremen Fällen sogar die Sicherheit Beschäftigter und Dritter gefährden. Anderseits will der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber nicht in eine prekäre Lage bringen und fürchtet arbeitsrechtliche Konsequenzen, wie Abmahnung und Kündigung.


Daher stellt sich häufig die Frage, ob der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bei einer Behörde anzeigen darf. Ob dies aus arbeitsrechtlicher Sicht zulässig ist, hängt – wie so oft – vom Einzelfall ab.


Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitnehmer zur Loyalität verpflichtet. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis. Diese Nebenpflicht findet jedoch dort seine Grenzen, wo die Interessen der Allgemeinheit gegenüber den Geschäftsinteressen des Arbeitgebers überwiegen.


Nach gefestigter Rechtsprechung darf der Arbeitnehmer den Arbeitgeber bei Behörden anzeigen, wenn die Allgemeininteressen gegenüber dem Arbeitgeberinteressen überwiegen. Eine wegen „Whistleblowing“ ausgesprochene Abmahnung oder Kündigung ist dann unwirksam.


Die Umsetzung in die Praxis erfolgt durch Abwägung beider Interessen. Diese gestaltet sich sehr schwierig, da die Gewichtung der betroffenen Interessen – besonders in Grenzfällen – letztlich im Auge des Betrachters liegen. Eine allgemeingültige Regelung zum gerechtfertigten „Whistleblowing“ bei rechtswidrigen Zuständen gibt es leider nicht. Der betroffene Arbeitnehmer kann sich aber anhand folgendem Fragenkatalog grob orientieren, ob er zur Behörde gehen und Anzeige erstatten darf:

  1. Ist die Anzeige bei der Behörde geeignet den rechtswidrigen Zustand im Betrieb zu beheben?

  2. Gibt es ein milderes Mittel um den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen (z.B. Gespräch mit dem Arbeitgeber und / oder dem Betriebsrat)?

  3. Ist die Anzeige bei der Behörde angemessen (d.h. überwiegt das Allgemeininteresse die Geschäftsinteressen des Arbeitgebers in qualitativer und quantitativer Hinsicht)?

  4. Wie viele Menschen werden durch den rechtswidrigen Zustand gefährdet?

  5. Welche Gefahren sind diese ausgesetzt (insbesondere Gesundheit, Leben, Eigentum, Vermögen)?

  6. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts?

Sollte nach Abarbeiten des Fragekataloges nach wie vor Zweifel bestehen, empfiehlt es sich, rechtskundigen Rat einzuholen. Zu beachten ist jedoch, dass die Schädigungsabsicht oder Anzeige aus „Rache“ gegenüber dem Arbeitgeber regelmäßig eine Verletzung der Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers darstellt. In diesen Fällen kann die Abmahnung oder ggf. auch eine Kündigung rechtmäßig sein.

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